#Urteile
11.12.2019

Sorgfältige Prüfung bei Eigenbedarfskündigung

Der BGH hat erneut klargestellt, dass sich bei einer Eigenbedarfskündigung jede schematische Lösung verbietet. Vielmehr muss eine umfassende Abwägung im Einzelfall zwischen den Mieter- und Vermieterinteressen stattfinden.

Urteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 144/19

Die Mieter bewohnen eine Vier-Zimmer-Wohnung mit ihren teils noch minderjährigen fünf Kindern. Der Vermieter erwarb 2016 das Objekt und kündigte wegen Eigenbedarfs. Er benötige die Wohnung für sich, seine drei Kinder sowie seine Mutter. Er wolle die Wohnung mit der darüber liegenden Dachgeschosswohnung, in die er zunächst eingezogen war, verbinden und als eine Einheit nutzen. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich auf Härtegründe aufgrund der für sie als Familie bestehenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Das Amtsgericht wies die Klage unter anderem mit der Begründung ab, der Vermieter habe bewusst ein vermietetes Objekt erworben, sodass sein Begehren rechtsmissbräuchlich sei. Er hätte zudem seinen Eigenbedarf durch die Nutzung der Dachgeschosswohnung decken können. Das Landgericht hat hingegen den Eigenbedarf des Vermieters bejaht. Gleichwohl sei das Mietverhältnis aufgrund der vorliegenden Härtegründe auf Seiten der Mieter unbefristet fortzusetzen. Der BGH bestätigt zunächst ebenso den Eigenbedarf. Der Erwerb einer vermieteten Wohnung würde die Geltendmachung eines Eigenbedarfs nicht ausschließen. Es sei vernünftig und nachvollziehbar, dass der Vermieter mit seiner Familie in einer größeren Wohnung leben wolle. Gleichzeitig hätten jedoch die vom Landgericht bejahten Härtegründe genauer überprüft werden müssen. Die Feststellung allein, dass es sich auf der Mieterseite um eine größere Familie handelt, reiche für eine Härtefallbegründung nicht aus. Es sei zum einen zu überprüfen gewesen, ob den Mietern tatsächlich kein alternativer Ersatzwohnraum zur Verfügung gestanden hat beziehungsweise welche konkreten Bemühungen unternommen worden sind. Ebenso wären Feststellungen bezüglich der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mieter erforderlich gewesen. Gleichzeitig hätte das Landgericht jedoch auch die gesundheitlichen Aspekte auf Seiten der Mieter sowie den Umstand zu bewerten, dass Pflegedienste für die in der Nähe der Wohnung lebende Mutter des Mieters erfolgten. Die Angelegenheit sei daher noch nicht abschließend zu klären gewesen, sodass die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen sei.

Kommentar: Der BGH festigt seine Rechtsprechung bezüglich einer jeweils vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung. Eine sichere Einschätzung bezüglich des Ausgangs eines Rechtsstreits ist für die Parteien daher oftmals nicht möglich, da sich schematische Ansätze nach der Rechtsprechung verbieten. Die Interessenabwägung führt jedoch häufig zum Vorrang der Vermieterinteressen gegenüber den Interessen der Mieter auf Erhalt ihres „Zuhauses“. Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass eine dauerhafte Fortsetzung des Mietverhältnisses allein mit Verweis auf bestehende Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche nicht durchsetzbar ist. Jedenfalls ist den Mietern neben ernsthaften Bemühungen eine umfassende Dokumentation ihrer Anmietungsversuche dringend zu empfehlen. Andernfalls dürfte eine Berufung auf vorliegende Härtefallgründe kaum erfolgversprechend sein.

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