Kündigung wegen Eigenbedarfs – Härteeinwand der Mieterin
Der Mieterin wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt. Hiergegen legte sie Widerspruch aufgrund einer aus ihrer Sicht vorliegenden „Härte“ ein.
Beschluss vom 13. Dezember 2022 – VIII ZR 96/22
Der Mieterin wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt. Hiergegen legte sie Widerspruch aufgrund einer aus ihrer Sicht vorliegenden „Härte“ ein. Nachdem sie kurz zuvor eine Fehlgeburt erlitten hatte, würde sie unter einer Depression sowie einer Angststörung leiden. Sie könne ihre Wohnung, die für sie einen letzten Rückzugsort bedeutete, nicht verlieren. Insbesondere würde sie im Falle eines erzwungenen Umzugs nicht mehr eigenständig leben können. Vor dem Amtsgericht bekam der Vermieter mit seiner Klage auf Räumung Recht. Es erkannte keine Gesundheitsgefährdung. Vor dem Landgericht berief die Mieterin sich auf ein Attest eines Facharztes für Psychotherapie, das die Diagnose einer psychischen Erkrankung bestätigt. Im Falle einer Räumung sei hiernach eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu befürchten. Auch das Landgericht bestätigte den Räumungsanspruch. Das Attest habe keine Aussagekraft und sei wenig schlüssig.
Vor dem BGH konnte die Mieterin einen vorläufigen Erfolg erzielen. Das Landgericht habe die Einwände der Mieterin lediglich oberflächlich bewertet und nicht gebührend gewürdigt. Daher habe eine Verletzung des Anspruchs der Mieterin auf rechtliches Gehör vorgelegen. Die von ihr vorgetragene Gesundheitsgefährdung könne nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden und daher einen Härtefall darstellen. Es hätte ein zweites Sachverständigengutachten vom Gericht eingeholt werden müssen. Ohne medizinische Sachkunde war es den Richtern hiernach verwehrt, dass eingereichte Gutachten für unverständlich beziehungsweise widersprüchlich einzuschätzen. Daher habe das Landgericht in einem erneuten Verfahren festzustellen, ob nicht doch ein „Härtefall“ vorläge.
Kommentar: Die mit einem Wohnungswechsel verbundenen gesundheitlichen Gefährdungen können erkennbar lediglich auf Basis einer intensiven Auseinandersetzung mit einer fachgutachterlichen Einschätzung ermittelt werden. Hier scheidet daher eine insoweit anmaßende und ohne Sachkunde erfolgte richterliche Bewertung aus. Auch in entsprechenden Vergleichsfällen ist daher jedenfalls die Einholung eines Zweitgutachtens nicht nur geboten, sondern zwingend erforderlich.