#Urteile
10.09.2024

Kündigung wegen Betrieb einer Wohnzimmerkanzlei

Kündigungen von Mietverhältnissen können trotz Sperrfrist möglich sein, wenn eine Wohnung neben dem Wohnsitz auch für berufliche Zwecke genutzt werden soll.

Urteil vom 10. April 2024 – VIII ZR 286/22

Ein Rechtsanwalt hatte 2018 eine Eigentumswohnung in Berlin erworben und kündigte am 24. Januar 2021 der Mieterin wegen Eigenbedarf. Er wollte die Räume als Wohnsitz sowie als Kanzlei mit einer Teilzeitkraft und unter Umständen einem weiteren Kollegen nutzen, da sein bisheriges Kanzleimietverhältnis endete. Das Bezirksamt erteilte ihm eine Zweckentfremdungsgenehmigung für die teilgewerbliche Nutzung der Wohnung.

Die Räumungsklage scheiterte vor dem Amts- und Landgericht Berlin. Das Landgericht verneinte einen „gewichtigen Nachteil“ des Klägers, der die Wohnung nach Umwandlung in Wohneigentum erworben hatte. Auch liege die gesetzliche Kündigungsbeschränkung bei einer Umwandlung vor, die eine zehnjährige Sperrfrist vorsehe und im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger erst im Jahr 2028 abläuft.

Der BGH hob hingegen das Urteil auf und verwies die Sache erneut an das Landgericht. Es liege zwar keine klassische Eigenbedarfskündigung vor, da die Wohnung insbesondere als Kanzlei genutzt werden sollte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe der Vermieter jedoch grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, das Mietverhältnis zu kündigen. Für das Vorliegen dieses Interesses reiche es aus, dass dem Vermieter ansonsten ein „beachtenswerter“ Nachteil entstünde. Anders als das Landgericht meine, müsse die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter eben keinen „gewichtigen Nachteil“ bedeuten, auch wenn er die Wohnung erst nach Umwandlung in Wohneigentum erworben und die Kündigung innerhalb der gesetzlichen Kündigungssperrfrist erklärt habe.

Diese Regelung diene gerade nicht einem umfassenden Schutz der Mieterseite vor einer Kündigung nach Bildung von Wohneigentum und anschließendem Verkauf des neugeschaffenen Eigentums. Die Ausnahmevorschrift könne auch nicht entsprechend auf andere Kündigungsgründe angewendet werden, wenn die Vermieterseite ihr berechtigtes Interesse an der Kündigung aus Umständen herleitet, die einer Eigenbedarfssituation ähnelten. Dass dem Kläger ein „beachtenswerter Nachteil“ bei verwehrtem Bezug entstünde, könne nicht ausgeschlossen werden, da nach dem Vortrag des Klägers die bisherigen Kanzleiräume nicht mehr zur Verfügung stünden und er daher auf die Nutzung zum nächstmöglichen Termin dringend angewiesen sei. Dies habe nunmehr das Landgericht in einem erneuten Verfahren zu überprüfen.

Kommentar: Die Karlsruher Richterinnen und Richter setzen mit diesem Urteil ihre bisherige Rechtsprechung fort. Für die Mieterseite bedeutet dies jedoch, dass eine Kündigung bereits innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist nach Umwandlung möglich ist, soweit die Vermieterseite die Räumlichkeiten neben dem Wohnsitz vornehmlich in zulässiger Weise gewerblich beziehungsweise – wie hier – als Kanzlei nutzen möchte und ansonsten ein beachtenswerter Nachteil entstünde. Hier liegt insoweit erkennbar eine Privilegierung der Vermieterseite vor, die ohne die Nutzungsabsicht auch als Kanzlei nicht existieren würde.

 

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